Spätestens jetzt, wenn es draußen winterlich kalt ist, brauchen wir etwas für die Seele. Und für die Sinne. Etwas Duftendes, Warmes, Süßes oder Würziges. Heimatgefühle. Wärme. Zuneigung.
Da ist er wieder. Der Winter. Hier bei uns oft grau. Dicker Hochnebel verhüllt tagelang den Himmel. Die Sonne ist allenfalls zu erahnen. Sie ist da, aber nicht hier. Leider. Da ist es eine besondere Freude nach Hause zu kommen. Nach Drinnen, ins gemütliche Nest. Wärme, wohltuende Gerüche und Geschmäcker, was angenehmes für die Ohren und auf der Haut sind Balsam für die Seele.
In der Küche schmurgelt eine Suppe auf dem Herd vor sich hin. Langsam entfaltet sie ihr ganzes Aroma. Es riecht köstlich. Erinnerungen an Opa und Oma Wolf werden wach. Schöne Erinnerungen. An Zuneigung, Stolz und leckeres Essen. Oma Wolf konnte zaubern - am Herd. Kochdampf beschlägt das Fenster. Und ich male kleine naive Bildchen aufs Fensterglas. So wie früher…
HIER UND HEUTE
Heute schmückt ein großer Blumenstrauß unseren Esstisch. Rosa, Pink, Orange, Hell- und Dunkelrot wärmen den Blick. Die alte Eichenholz-Tischplatte mit Spuren aus vielen Jahrzehnten könnte unendliche Geschichten erzählen. Wie viele Umzüge hat dieser Tisch schon miterlebt? Wer hat schon alles um diesen Tisch herum gesessen? Welche freudigen oder ernsten Gespräche wurden hier geführt? Wieviel Lachen und wieviele Tränen hat der Tisch miterlebt? Und welche Leckereien wurden hier genossen? Irgendwie schade, dass das schöne Holz zwar geduldig, aber so schweigsam ist… Und ja, es ist der Küchentisch meiner Oma Wolf, wahrscheinlich aus den 1930iger Jahren. Ich mag ihn sehr.
Auf dunkelgrünen rustikalen Leinenservietten warten Suppenlöffel auf ihren Einsatz. Schöne, handgefertigte Keramikteller mit einer grünen glänzenden Glasur sind eingedeckt und ein einfaches Wasserglas.
Selbst gebackenes Brot liegt im Körbchen. Es riecht ganz wundervoll würzig.
Mein Lieblingsmensch sitzt mir gegenüber. Der Suppentopf steht nun zwischen uns in der Mitte des Tisches. Würziger Duft erfüllt den ganzen Raum. Wir können uns im ersten Moment, als der Deckel gelupft wird, durch den Dampf nur schemenhaft sehen. Und lachen… Die erste Suppenkelle entleert sich in den Teller. Ich kann es kaum erwarten - und verbrenne mir erst mal die Zunge! (Schaffe ich immer wieder, tut aber nicht wirklich weh :-)) Vorfreude, Hunger, ich will endlich kosten und genießen. Geduld - für mich ein Fremdwort.
Ausdauer wird früher oder später belohnt – meistens aber später.
Wilhelm Busch
Doch dann, wenn die ganz große Hitze langsam weicht, entfalten sich unterschiedlichste Geschmäcke und ein wohltuendes Aroma. Würzige Brühe mit einer leichten Pfeffernote, schmeichelnd säuerlich. Ah, da spitzt frech ein wenig Kümmel hervor. Balsamisch, scharf - aber ganz dezent. Köstlich frisch! Nun ertastet meine Zunge eine Scheibe Karotte - noch al dente. Meine Zähne genießen den Widerstand. Und die Geschmacks-knospen freuen sich auf das Aroma, leicht süß und fruchtig. Hier ein Würfel Sellerie - weich und erdig. Und erst die Süßkartoffeln - samtig-süß, untermalt von der würzigen Brühe. Meine Zunge spürt noch etwas. Eine ganz andere Textur. Klein, rund, glatt und noch leicht knackig. Der Geschmack fein nussig, erinnert an Maronen - es sind kleine schwarze Beluga-Linsen.
Auch das Auge isst, bekanntlich, mit. Sonnengereifte, getrocknete Tomatenstücke, feine Lauchringe und frisch gehackte Petersilie setzen farbliche Akzente, unterstützen das Gesamtbild und sorgen für weitere geschmackliche Highlights.
Ich schwelge im Genuss - Geschmacks- und Geruchssinn stehen auf Empfang. Und freuen sich über Wärme, Süße, Schärfe, Säure und Zuneigung. Guter Eintopf weckt in mir eine wohlige Behaglichkeit. Träume vom einfachen Leben auf dem Land werden wach. Und tief vergrabene Erinnerungen an Oma und Opa Wolf mit dem besten „Quer-durch-de’-Gadde-Eintopp“ sind auf einmal wieder präsent. Opa Wolf sorgte für Aussaat, Aufzucht und Ernte im heimischen Nutzgarten. Und Oma Wolf kochte den riesengroßen Pott Eintopf. Und hatte strahlende Augen, wenn wir uns hungrig über die Teller beugten.
Unglaublich lecker und von ganz anderer Konsistenz ist das selbst gebackene Brot. Es ist immer wieder ein Fest, wenn mein Lieblingsmensch sich ans Werk macht. Diesmal ist der Laib etwas dunkler als sonst und leicht körnig. Schön, wie die Zähne sich durch die rösche Kruste arbeiten, wie das Krachen alles Andere übertönt und wie die Zunge den dichten, vollmundigen Teig schmeckt.
Ach ist das schön! Alle meine Sinne sind aktiviert und belohnt. Ich bin glücklich, satt und zufrieden und kuschle mich mit einem Espresso in die Arme meines Lieblingsmenschen. So einfach kann Glück sein!
Was macht Dich so richtig glücklich? Bist Du mit kleinen, bewussten Erlebnissen zufrieden? Oder sollte es schon etwas richtig Großes sein?
Hallo Christine,
ich liebe Eintopf. Und du hast ihn so toll beschrieben, dass ich ihn schon fast schmecken kann. Wie gut, dass auch bei mir öfter "Eintopf" auf dem Speiseplan steht.