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AutorenbildChristine Ubeda Cruz

Einfach mal nutzlos sein


Lindenbaum ohne Blätter im Nebel
Ist Nebel nutzvoll? Oder vollkommen nutzlos?

Letzte Woche, da saß ich auf meinem Lieblings-Sessel und schaute ins Leere. Ein halb ausgetrunkene Teetasse, mittlerweile erkaltet, stand auf dem kleinen Beistelltisch. Daneben lag eine Zeitschrift, die ich vom Schreibtisch genommen hatte, als ich noch glaubte, ich würde nun ein paar Zeilen lesen. Stattdessen saß ich da. Einfach so. Und schaute teilnahmslos dem grauen Novembertag zu. Irgendwann war der nicht helle Tag einem dunklen Abend gewichen. Egal, die Zeit verstrich und ich, ich saß da. Und tat: NICHTS!


Es gibt eine Menge zu tun. Den Koffer auspacken, der achtlos im Flur abgestellt darauf wartet. Oder ’ne frische Tasse aufgießen. Würde mir guttun. Auf'm Handy rumdaddeln. Den Liebsten anrufen, der in Berlin geblieben ist. Leergut wegbringen oder Wäsche aufsetzen. Endlich den Blogbeitrag für die #Schreibfreundinnen beginnen. In zwei Tagen ist Deadline.


Stattdessen tue ich: Nichts! Absolut gar nichts. Ich tue nicht mal was für mich, siehe oben – weder Tee kochen oder noch was zu essen machen. Ich bin. Sitze im mittlerweile stockdunklen Zimmer und starre in den schwarzen Abend. Langsam wird es mir kalt. Ergeben schalte ich Leselampe ein, stehe seufzend auf und drehe die Heizung an. Es tut gerade gut, nichts zu tun. Einfach den Tag zu verplempern. Ohne Ahnung davon, wo die Zeit geblieben ist. Normalerweise würde ich am Handy daddeln, Wichtiges und vollkommen Unwichtiges lesen und sofort wieder vergessen. Heute aber nicht. Ist mir doch egal, was da draußen in der Welt geschieht. Ich sitze hier. Und bin.


Nichtstun ist die allerschwierigste Beschäftigung und zugleich diejenige, die am meisten Geist voraussetzt.

Oscar Wilde


Nichtstun muss man sich in unserer Gesellschaft mühselig antrainieren. Also ich musste das. Denn ich konnte das nie. Dieses Nichtstun. In meiner früheren Denke, neudeutsch Mindset, war kein Platz fürs Nichtstun. Einfach mal Sein widersprach meiner Auffassung von Nützlichkeit und der Pflicht, in alle Lebenslagen Sinnvolles und Effektives zu tun. Und selbst Entspannung sollte Bitteschön zielführend sein. Um danach noch mehr machen zu können.


Und heute: Ist das zu meinem großen Glück Vergangenheit! Ich mach’ da nicht mehr mit. Ich tue heute nichts. Morgen werde ich wahrscheinlich,vielleicht, normal weitermachen. Aber auf keinen Fall das Nichtstun von heute aufholen wollen. Denn ist es nicht so: In keiner Weise nützlich sein heißt auch: Ich bin überflüssig! Ich trage heute nicht zum Gelingen des Tages bei oder zum Brutto-Sozialprodukt. Die Welt rattert einfach weiter. Egal ob ich mitmache oder nicht. Egal ob ich bin oder nicht.


Das führt mich zu einer steifen These:

War das der Grund, warum ich früher jegliche Art von Tatenlosigkeit nicht ertragen konnte? Weil sie mir bewusst machte, wie entbehrlich ich bin?


In den vergangenen Tagen habe ich viel in meinem Lieblings-Sessel gesessen. Eingemummelt in eine warme Decke, gut versorgt mit heißem Tee. Außer Löcher in die graue Novemberluft zu gucken habe ich nichts getan. Dafür aber Raum für Gedanken gehabt. Und gespürt: Das Nichtstun gibt Freiheit. Gedanken, die sonst im Trubel des Tages verdrängt werden, rutschen nach vorne. Erlangen Bedeutung. Können sich entfalten, wachsen und gedeihen oder auch einfach weiterziehen. Statt Koffer auspacken, E-Mails abarbeiten oder rumdaddeln habe ich neue Ideen und frische Kraft gesammelt – trotz Krankheit. Es ist schön, die Wärme des Tees bewusst zu spüren. Und so wertvoll hier geschützt im geheizten Zimmer sitzen und raus ins kalte Grau schauen zu können. Die Nebelschwaden ziehen zu sehen, wie auch manche meiner Gedanken. Und einfach mal nutzlos zu sein. Vollkommen entbehrlich. Herrlich!



Wie hältst Du das mit dem Nichtstun? Deine leichteste oder schwierigste Übung?

30 Ansichten2 Kommentare

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2 Comments

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Guest
vor 2 Tagen

Nichts tun. Sollte ich mal wieder. Danke fürs erinnern.

Lieben Gruß

Edith

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Guest
vor 3 Tagen

Wie recht ihr habt: Oscar Wilde und du!

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