
Ich bekenne: Ich bin ein Faschingsmuffel. Ich muss da nicht mitmachen. Aber es gibt etwas, was ich zur 5. Jahreszeit auf jeden Fall haben will: "Babische" (hochdeutsch: klebrige) Finger, eine Zuckerschnute und einen leichten Anflug von Magendrücken nach dem Genuss, oder soll ich besser sagen Exzess, des einen oder anderen Kreppels. Pappsatt, glücklich und mit Marmelade und Zuckerkrümmel bekleckert. So muss das …
Ende Februar, ein sonniger Wintertag. Gemeinsam schlendere ich mit meiner Freundin zum Bäcker. Wir nehmen den Weg durch die kleine Nebenstraße. Der ist weiter als zur Hauptstraße. Das nehmen wir gerne in Kauf, um das seelenlose Backwerk aus der großen Filialbäckerei zu umschiffen. Denn wir wollen etwas Spezielles einkaufen. Frische Kreppel. Oder Kräbbel? Ein Berliner? Nee, ein Pfannkuchen. Oder ein Krapfen? Nee, das ist auf jeden Fall ein Puffel! Oder doch eher Faasekiechelcher … Dann gibt es wohl auch noch Püfferkes, Fieze und Krapfm. In Frankreich wird das Gebäck "Boule de Berlin" gerufen, in England sagt man "Jelly Doughnut".
Jetzt wirst Du Dich vielleicht fragen: "Was bitte ist das?" Nun, das Gebäck, dass es meist nur saisonal – zur fünften Jahreszeit – in den Bäckereien und Konditoreien gibt, ist ein runder Teigball aus flaumigem Hefeteig in Öl ausgebacken. Traditionell wird es in Zucker gewälzt und so verspeist.
Angeblich wurden die so beliebten Teigbälle bereits 1756 von einem Berliner Zuckerbäcker erfunden. Der wollte eigentlich in der Armee "Friedrichs des Großen" Kanonier werden. Stattdessen landete er in der Feldküche, wo er kurzerhand eigene kleine „Kanonenkugeln“, die Berliner, herstellte. Ob das seinerzeit schon als Angriff auf die Hüfte galt?
Hauptsache: Rund, fett, süß und lecker – oder?
Und heute: Nun der Genuss der dicken Ballen ist auf jeden Fall, noch immer, äußerst sättigend. Aber: Vergiss die ganz normalen Kreppel! Die traditionellen mit Zuckerguss, Puder- oder Kristallzucker überzogenen gehören der Vergangenheit an. Immer mehr Kreppel-Deluxe erobern die Auslagen der Bäckereien. Nur Marmelade drin und Zucker drumherum reichen nicht mehr aus. Auch schon altmodisch: Eine Füllung aus Pflaumenmus. Oder Pudding. Nicht einfach zu genießen aber sehr lecker: Kreppel mit Eierlikörfüllung. Wer es schafft, den unfallfrei zu vertilgen, dem ist ein zweiter sicher. Dann vielleicht mit süßem Kaffeelikör? "Unsere" Bäckerei versuchte es im vergangenen Jahr mit einer "Aperol-Füllung". War wohl kein Kassenschlager. Denn in diesem Jahr gibt es eine neue Kreation mit Pistaziencreme, hübsch dekoriert mit Engelshaar. Der Dubai-Hype macht auch hiervor nicht halt. Luxuriöse Füllungen und kunstvolle Dekoration lassen die Kassen klingeln.
Welch ein Kontrast zu einer alten Familientradition. Meine Großmutter war die Meisterin der Kreppel. Damals traditionell gefüllt mit hausgemachter Erdbeermarmelade. Gierig griff die Familie, kaum dass die Teiglinge aus dem siedenden Fett im Zucker lagen, zu. Dann hieß es: schnell zubeißen, die Finger und mit offenem Mund hektisch den Kopf schütteln – einfach, weil die Teile so unglaublich heiß waren. Aber frisch aus dem Fett schlicht am besten schmeckten. Eine Person aus der Familie schüttelte sich jedoch immer ganz besonders. Nämlich diejenige, die den Faschings-Kreppel, erwischt hatte. Der war, Du ahnst es schon, mit extra-scharfem Senf gefüllt.
Ich habe keine Ahnung, wer diese Familientradition ausgeplaudert hat. Mittlerweile scheint die "Senf-Variante" weit verbreitet zu sein. Und wird munter durch weitere kreative, würzige Füllungen ergänzt. So soll es mittlerweile Weißwurst-Krapfen und Leberkäs'-Krapfen geben. Aber der absolute Hit soll in diesem Jahr der Dönerkreppel – inklusive Knoblauchsoße – sein. Ob die Soße sich in dem Teigling befindet oder extra gereicht wird, entzieht sich meiner Kenntnis. Was all diese würzigen Kreationen eint: Der Teigballen ist auf jeden Fall mit Zucker umhüllt. Guten Appetit!!!
Können Kreppel bitte Kräbbel bleiben?
Die Welt ist voller Veränderung. Und das ist – häufig, oft, meistens – auch gut so. Wir stellen uns dem. Immer und immer wieder. Aber manchmal, ja manchmal wünschen wir uns, dass wenigstens die kleinen Dinge so bleiben, wie sie mal waren. Meine Freundin und ich kauften eine Tüte mit "normalen" Kreppeln, gefüllt mit Himbeermarmelade. Und wir genossen es sehr, uns zu Hause beim Kaffee einfach mal in Ruhe zurückzulehnen und für wenige Augenblicke der Einbildung nachzuhängen, das alles in Ordnung sei. Das tat richtig gut.
Und dann kamen wir überein, dass wir noch nie nicht von Herings-Kreppel oder Shrimps-Puffel gehört haben. Gut so, oder?
Dankeschön für den erfrischenden Beitrag😀ich kannte diese Familientradition gar nicht.....Megaspannend Senf im Berliner.....danke da hab ich dann schon gegessen. Liebe Grüße, Helene
Liebe Christine. Da erinnerst du mich an was. Bei uns hießen die Dinger Fastnachtsküchle und hatten gar keine Füllung. Zucker außen drauf aber schon. Und geschmeckt haben sie auch. Jetzt wo ich schon so lange in Norddeutschland wohne, habe ich den Geschmack der Fastnachtsküchle fast vergessen.