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AutorenbildChristine Ubeda Cruz

Fühlen Dinge Fernweh?


Karibik - Strand - Mülltonnen
Schön hier am Karibik-Strand - oder?

Vor einiger Zeit wurde eine deutsche Mülltonne an einen wunderschönen Strand in der Karibik angespült. Als ich das las, fragte ich mich: Ok, wir Menschen verreisen gern. Könnte das all den Gegenständen, die wir so um uns haben, nicht genauso gehen?


Viele hat es wieder gepackt. Das Fernweh! Die Sehnsucht nach einem Ort, an dem man noch nie gewesen ist. Wobei: Ist Fernweh dafür das richtige Wort? Muß Sehnsucht weh tun? Oder passt nicht viel besser „wanderlust“, das englische Wort für ja, Fernweh! Spannend oder? Ja, Lust raus zu kommen, auf „Wanderschaft“ zu gehen. An Orte, wo man noch nie gewesen ist. Muss ja nicht zwingend auf Schusters Rappen sein.


Bleiben wir mal bei der deutschen Mülltonne in der Karibik. Eure Wanderlust oder euer Fernweh kennt ihr ja.


Hier bei mir in Frankfurt sind die Restmüll-Behälter grau. Rechteckig, auf Rollen. Unsere ist geplatzt. Wahrscheinlich war sie mal zu voll. Oder war es ihr zu heiß? Das arme Ding steht ja winters wie sommers draußen vor der Hecke. Wind, Schnee, Regen, Staub und Hitze oder Kälte setzen ihr ordentlich zu. Täglich wird sie mit dem vollgestopft, was wir nicht mehr haben wollen. Schön ist das nicht. Riecht auch oft ungut. Und Dienstag kommt dann der örtliche Abfall-Entsorger. Kräftige Kerle rollen das graue Ding an den Bordstein. Stellen es neben seine Kollegin vom Nachbargrundstück. Und irgendwann kommt eine lautes Wesen auf vier Rädern. Mit starken Greifarmen schnappt es sich die Tonne. Führt sie schnell und ruckartig in schwindelnde Höhe, kippt sie einfach um und der gesamte Abfall fliegt in den Laderaum eines großen Müllfressers. Mit riesengroßem Appetit. Er rülpst und stöhnt ganz schön laut. Dann stellen die mechanischen, gefühllosen Greifarme den leeren Behälter unsanft zurück auf die Straße. Und einer der kräftigen Kerle rollt die Tonne wieder zurück an die Hecke. Zu ihren Kolleginnen. Der gelben für Wiederverwertbares. Der stinkenden, Mücken umschwärmten Biotonne und der grünen für Altpapier. Da steht sie dann. Bis wieder ein Hausbewohner ihre Klappe öffnet. Und die nächste Fuhre stinkenden Mülls in ihr entsorgt.


Also mal ehrlich: DAS IST DOCH EIN SCHEISS DASEIN - oder?


Offenbar hat sich unsere Tonne gedacht: Mir reicht‘s! All den Dreck laden sie in mir ab. Nie ein gutes Wort, eine Streichel-Einheit oder gar ein Dankeschön. Wenn sich keiner um mich kümmert, dann muss ich das halt selbst tun! Und weg war sie. Hat sich unbemerkt davon gemacht. Ihre drei Kolleginnen stehen weiterhin brav an ihren Plätzen. Aber nicht die graue.


Und wir sind irritiert. Wohin nun mit unseren Abfällen??? Ratlosigkeit.


Einige Tage später. Die Lücke ist wieder gefüllt. Sauber, glatt und strahlend steht unser Schätzchen wieder an seinem Platz. Hat ihr gut getan. Ihre kurze Abwesenheit. War scheinbar ganz schön am karibischen Strand. Erholsam. Geduldig nimmt sie unseren Restmüll wieder auf.


Und ich denke mir? War das vielleicht wirklich „unsere“ Mülltonne, da an dem schönen Strand in der Karibik? Wie ist sie dahin gekommen? Gibt es ein Reisebüro für Dinge? Nutzen Dinge nicht hör- und sehbare Kommunikationswege, um sich auszutauschen? Wenn hat sich unser stumpfes, zerkratztes, graues Schätzchen mit dem langen Riss davongemacht? Und wie? Leicht abgekippt auf zwei Rollen? Und wie ist es in die Karibik gekommen? Vielleicht mal eben „gebeamt“? Und warum ist die Tonne wieder zurückgekommen? Hatte sie etwa Heimweh? Oder ist sie gar verantwortungsbewusst und will weiterhin ihren Job machen?


Schweigend steht sie da in der Abendsonne. Ich war gerade bei ihr. Und habe ein wenig Restmüll in ihr entsorgt. Und dankbar ihren grauen Deckel geschlossen. Schön, dass sie wieder da ist.






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