Neulich auf einer netten privaten Party. Wir kannten nur die Gastgeber. Und nicht die anderen Gäste. Da ließ es sich nicht umgehen, den üblichen „Kennenlernen-Smalltalk“ zu absolvieren. Eine sehr beliebte Frage lautete: „Und - was macht’s Du so im Leben? Nee, nicht in der Arbeit - in Deiner Freizeit?“
Mein Schatz antwortete darauf: Musik. Und chillen. Auf das Stirnrunzeln der Runde entgegnete er: „Ich spiele Gitarre und singe in zwei Bands.“ Die Reaktion darauf: „Ach, spannend. Und was so? Was für‘ne Mucke?“ Und damit erlahmte das Interesse auch schon. Nur einer fragte noch ganz keck, aber nicht wirklich ernst gemeint: „Und warum nicht heute? Hier auf diesem Fest?“ Und schon richtete sich das Interesse auf eine andere Person im Kreis.
Als ich gefragt wurde, erzählte ich, dass ich schreibe. Kleine Geschichten halt. Für meinen Blog. Die Reaktion darauf: „Du SCHREIBST!?! Wie cool. Und wann erscheint dein erstes Buch?"
MUSS JEDER GESCHRIEBENE TEXT ZU EINEM BUCH FÜHREN?
Warum ist das so? Wenn ich lerne, Cello zu spielen, fragt mich niemand, wann ich in denn mit den Philharmonikern auftreten werde. Wenn ich erzähle, dass ich regelmäßig laufe, geht auch keiner davon aus, dass ich im kommenden Oktober am Frankfurt Marathon teilnehmen werde.
Aber das Schreiben muss offenbar zwangsläufig auf eine Veröffentlichung hinauslaufen. Echt jetzt???
So viele Menschen schreiben. Ständig. Briefe, Mails, Rechnungen, Bedienungsanleitungen, Newsletter, Einkaufszettel und Liebesbriefe. Und so viel anderes. Die fragt doch auch keiner nach einer Veröffentlichung. Am besten noch als Bestseller.
ÜBUNG MACHT DEN MEISTER - oder?
Menschen, die ein Instrument spielen, üben. Einige täglich. Andere gelegentlich. Mein Schatz macht das so. Er steht vor dem Bücherregal, zupft an den Saiten der Gitarre und singt die Bücher an. Und dann fährt er in den Proberaum. Öfter. Und übt mit den Männern seiner Bands. Das macht allen große Freude. Und ab und an treten sie auf. Vor Publikum. Klein und fein. Und keiner stellt die Frage, wann die „erste Platte“ rauskommt. Aber alle haben viel Spaß. Fordern sich und ihre Fähigkeiten. Und erfreuen die Zuhörenden.
Wer Sport treibt, der trainiert. Immer und immer wieder. Um besser, weiter, schneller, höher zu kommen. Das braucht Zeit. Oftmals jahrelanges Training. Und muss nicht zwangsläufig zur Goldmedaille führen. Aber zu einer großen inneren Befriedigung …
Aber wenn jemand sagt, er schreibt, haben viele das Gefühl, dass jedes Wort gleich druckreif sein muss. Warum? Das ist doch selbst gemachter Blödsinn. Schreiben ist so viel mehr als nur Mittel zum Zweck. Schreiben ist eine Tätigkeit. Schreiben ist Arbeit. Ein klarer Satz ist kein Zufall. Schreiben bedeutet, geistige Bewegung, Gedanken reisen zu lassen, Abenteuer im Kopf zur erleben. Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Und dann auf Papier oder Festplatte zu bannen. Es gibt Menschen, die es einfach nicht lassen können, zu schreiben. Es gibt Menschen, die schreiben wollen, es aber, ihrer Meinung nach, nicht hinbekommen. Oder solche, deren Kopf zum Bersten voll ist mit Geschichten. Es gibt Menschen, die es mit Glück erfüllt, das richtige Wort zu finden. Und solche wie ich. Die an all dem einfach Spaß haben. Sich ausprobieren möchten. Sich etwas trauen. Kreativ ausdrücken wollen. Und die Lesenden zum Lächeln bringen möchte. Und das gelingt. Mal gut. Mal weniger gut. Dafür übe ich weiter. Und weiter, und weiter …
Und das nächste Mal, wenn einer fragt, wann mein erstes Buch erscheint, antworte ich:
„I'm writing a book. I've got the page numbers done.“
Steven Wright, US-amerikanischer Schauspieler, Schriftsteller und Stand-up-Comedian
Oooooohhhh ja. Schreiben ist auch Quatsch machen und Spaß haben und dabei zuschauen, wie etwas entsteht. Und laut denken und fragen und die Welt einladen, mitzudenken. Es ist Freude und einfach ein gutes Gefühl und manchmal ist es auch Verarbeitung und Persönlichkeitsentwicklung. Und manchmal ist es alles gleichzeitig. Schön, dass du schreibst!
Anna