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AutorenbildChristine Ubeda Cruz

Jetzt endlich: Fasten fasten!


rosa Hasengrafik auf grünem Rasen
Fröhliche Ostern!

Seit Wochen locken die Verführungen. Der Lebensmittel-Handel ist bestens gerüstet für das“große Fressen“ zu Ostern. Und die Modeindustrie lockt mit bunten Farben und neuen Outfit-Ideen. Weil es ja wärmer wird. Die Touristen-Hochburgen stellen sich auf zahllose zahlungswillige Kunden ein. Der Automobilverband rät zu alternativen Routen auf den übervollen Autobahnen. Und die Preise bei der Bahn und Fluggesellschaften nähern sich der Unendlichkeit.

Was für ein Stress! Kaum hatten wir unsere Neujahrsvorsätze über Board geworfen, mussten neue Ziele und Vorsätze her. Jetzt für die Fastenzeit. 40 Tage bis Ostern auf vieles verzichten. Fast alles weglassen, was Spaß macht. Ziele setzten und erreichen. Sich selbst beweisen, dass man das kann. Durchhält. Und dann? Endlich Ostern!

Die meisten meiner Bekannt:innen und Freund:innen, die fasten, tun das meist nicht, um Gott zu gefallen. Oft stehen gesundheitliche Gründe im Vordergrund. Ganz banal: weniger Bauch! Oder eine kurze Erholungspause für die Leber. Soweit die Klassiker!

Seit einigen Jahren beobachte ich, dass es beim Erfinden neuer Fasten-Gründe keine Grenzen zu geben scheint. Die Kreativität, was und wie verzichtet und weg gelassen wird, erreicht nahezu alle Lebensbereiche. Offenbar gibt es in unserer „alles ist jederzeit und überall verfügbar-Welt“ ein starkes Bedürfnis nach „WENIGER“. Eine kleine, nicht repräsentative, Umfrage bei Bekannt:innen und Freund:innen brachte die folgenden Ideen zu Tage.

Es werden

Plastik - Müll - Konsum - Auto fahren - Heizung - Strom - Flug - Sorgen - Ärger - Vorurteile - Jammern - Faul sein - Sitzen - Schuhe - Stress - Nachrichten - Geräusche - Social-Media - Smartphone - Datenweiter- gabe - Bewegtbild - Internet …

weggelassen, reduziert, gefastet! Wow, was für eine Sammlung - ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Vieles davon tut der Umwelt gut. Und somit auch uns. Wobei bei Schuhen bin ich mir da nicht so sicher 😜



Ab Karsamstag darf wieder gesündigt werden


Und jetzt steht Ostern vor der Tür. Ein langes Wochenende. Und damit das Ende der Bescheidenheit!

Ein Bekannter verzichtet auf Alkohol. Das ist für ihn echt hart. Sein geliebtes Glas Wein gegen Wasser einzutauschen. Aber am Karsamstag ist das vorbei. Und zwar mit Ansage. Endgültig. Er stürzt ab. Ostersonntag ist gelaufen. Und die Leber kriegt anschließend wieder regelmäßig Nachschub …

Freunde lassen seit Wochen das Abendessen weg. Stopfen sich aber dafür mittags gut doppelt so viel rein. Und freuen sich schon wie Bolle auf den großen Oster-Brunch am Sonntag. Allein beim Gedanken an dieses Fest sammelt sich Speichel in den Mundwinkeln, die Wangen schimmern rosig und ein freudiges (oder gieriges?) Funkeln erstrahlt in den Augen.

Meine Nachbarin fastet Müll und Plastik. Vorbildlich. Haarklein erzählt sie, wie viel Aufwand es ist, immer mit den richtigen Tupperdosen einkaufen zu gehen. Und daß der Joghurt im Super-Sonderangebot ja dann dummerweise doch wieder im Plastikbecher steckt. Und wie froh sie ist, wenn sie endlich am Dienstag nach Ostern wieder „normal“ einkaufen fahren kann. Mit dem Auto. Denn das lässt sie derzeit auch stehen. Sie fastet auch „Auto“.

Andere Freunde, die gerade auf alles mögliche beim Essen und Trinken verzichten und strauchelnd sämtliche Strecken bei Wind und Wetter mit dem Fahrrad zurücklegen, haben ebenfalls ein klares Ziel vor Augen: An Gründonnerstag hebt ihr Flieger ab Richtung Malediven. Ins All-inclusive-Luxus-Resort.


Warum fasten wir eigentlich? Und ist das, was wir da tun, wirklich so sinnvoll?

Meine Antwort auf diese zwei Fragen: Ein total entschiedenes JEIN!

Es ist absolut sinnvoll, sich kritisch mit dem eigenen Verhalten - egal ob Genuss, Gebrauch und Konsum - auseinander zu setzten. Und 40 Tage ohne Zucker lassen die erste Kugel Eis total übersüß und ungesund schmecken. Und sind auf jeden Fall schon mal besser als weitere 40 Tage mit Zucker. Das allererste Glas Wein beschwipst den Geist umgehend. Es macht sich wohltuend auf dem Kontoauszug bemerkbar, weniger oder bewusster einkaufen zu gehen. Nicht zu tanken. Wir haben mehr Zeit für‘s süße Nichtstun oder sinnvolles Tun, wenn wir auf stundenlanges daddeln, swipen und streamen verzichten


Fasten macht bewusster. Es unterbricht unsere Verhaltensmuster.

Francoise Wilhelmi de Toledo, Schweizer Ärztin

Gratulation an alle, die an Ostern und danach weiterhin bewusst leben. Weil sich in ihren Bedürfnissen und ihrem Geschmack etwas Neues etabliert hat. Sie das Neue „als Genuss, als Gewinn“ wahrnehmen.

Gilt für meinen Bekannten leider nicht. Die 40 Tage waren für ihn eine Beeinträchtigung. Harte Regeln. Jetzt ist er befreit und trinkt wieder seinen Wein. Regelmäßig. Auch die Freunde futtern ab sofort wieder alles und jederzeit.

Meine Nachbarin fährt die 1,6km nun wieder mit ihrem alten Diesel zum Discounter. Und der Deckel der gelben Tonne wölbt sich bereits nach einer Woche. Die Tupperdosen wandern, wahrscheinlich bis zum nächsten Aschermittwoch, nach hinten-unten im Küchenschrank.

Die Freunde kommen braun gebrannt von den Malediven zurück. Sind aber so ganz leicht erschüttert, wenn sie von der Armut der einheimischen Bevölkerung außerhalb des Resorts berichten. Und vom allgegenwärtigen Müll. Haben irgendwo gehört, dass einige Inseln bald untergehen werden. Grrhh, die armen Leute dort!


Ist unser Fasten nur Wohlstands-Getue?

Und ich? Bin zumindest irritiert! Weil das Fasten offenbar immer mehr zum Wohlstands-Getue verkommt. Diese so gelebte „Anständigkeit“, das besondere „Bewusstsein“ in den 40 Tagen zwischen Aschermittwoch und Karfreitag wirkt auf mich wie eine Show. Eine große Lüge. Selbstlüge. Greenwashing.


Versteht mich bitte nicht falsch: Ich möchte keinem das Fasten verderben oder madigmachen. Wer sich in diesen Tagen durch was auch immer reiner, leichter und befreiter fühlt: Bitteschön!

Ich plädiere lediglich dafür, das eigene Vorhaben mal kritisch zu hinterfragen. Was genau machen wir da eigentlich? Und warum gerade jetzt? Wäre es nicht sinnvoller, uns auch mal an den restlichen 325 Tagen des Jahres zu fragen, ob das zweite Tortenstück, das dritte Bier, das Auto, die ultra-kurze Fernreise zum Schnäppchenpreis, die neunte Jeans und das xte paar Schuhe sein müssen? Und warum kann ich nicht auch am Dienstag nach Ostern mit meiner Tupperschüssel einkaufen gehen? Mit dem Fahrrad?

Fragen über Fragen. Die hoffentlich zum Nachdenken anregen. Auch Dich!

Wie hältst Du es so? Fasten in der Fastenzeit? Oder bist Du ganzjährig bewusst und vernünftig? Schreib' mir doch mal ...


Schöne Ostertage!




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