Das Leben wird immer bequemer. Smart gesteuerte Häuser, selbstfahrende Autos, kluge Kühlschränke und Zahnbürsten. Gut so? Manchmal ja, oft aber auch nicht, finde ich. Vor allem, wenn Geräte sich aufführen wie alles besser wissende Pädagogen oder hysterische Diven.
Kürzlich in einer Parkgarage, weit weg von zu Hause, ging es heiß her. Nee, nicht so, wie Du nun denkst. Weder Romantik noch Erotik taugt dafür, das zu beschreiben, was da spät in der Nacht passierte. Wir zickten uns an. Also der Mietwagen und ich. Eigentlich buche ich immer die kleinste Mietwagenklasse. Der nette Mitarbeiter am orangefarbenen Counter meinte jedoch mit einem maliziösen Lächeln, dass sie mich gerne upgraden würden. Und so saß ich in einem dieser neuen, eckigen elektrischen Kastenwägen. Die überdimensionierten Abmessungen waren nicht mal das Schlimmste, sondern die Mischung aus Intelligenz, Besserwisserei und Hysterie dieses Fahrzeugs. Kaum hatte ich die Zündung aktiviert, hier natürlich nur ein Knöpfchen, und den Rückwärtsgang eingelegt, begannen die hysterischen Anwandlungen. Es war nur ein Piepen, dafür hochfrequent und sehr laut, aber es klang wie: Pass auf! PASS BITTE AUF! PASS BITTE SEHR GUT AUF! Gestresst lenkte ich die Karre aus der Parkbucht und dachte sehnsüchtig an meinen kleinen, komplett analogen, Gokart-ähnlichen 10Jahre alten Zweisitzer. Der schnurrt, wenn ich die Zündung starte und schweigt weise, wenn ich ihn aus der kleinsten Parklücke raus manövriere. Das Schlaueste an ihm ist sein Radio. Dass genau den Sender abspielt, den ich auswähle. Ich mag meinen kleinen, stummen und (dummen?) Flitzer echt gerne.
Künstliche Intelligenz oder Bevormundung?
Glaubt man den vielen Technik-Begeisterten da draußen, werden zukünftig noch viel mehr unserer Geräte das Denken und auch Handeln übernehmen. ChatGPT wird meine Artikel, vielleicht bessere, wie diesen hier, alleine schreiben. Midjourny schafft legendäre Kunstwerke, Autos werden zu autonomen Fahrzeugen (spüren anhand des Zustandes des Menschen auf dem Fahrersitz, dass er nun ratsam wäre, nach Hause zu fahren.) und der Einkaufszettel, der eh immer zu Hause liegen bleibt, ist ebenfalls Schnee von gestern. Weil unsere Haushaltsgeräte das Denken übernehmen. Manches davon scheint schön und bequem. Aber brauchen wir das? Dass der Kühlschrank automatisch Wein bestellt, nur weil ich gerade die letzte Flasche entnommen habe? Bequem ja. Demnächst säuselt mir dann eine lieblich klingende KI-Stimme zu, dass ich an diesem Abend schon die x-te Flasche Wein entnommen hätte. Verbunden mit der Warnung vor den gesundheitlichen Schäden übermäßigen Alkoholgenusses.
Diese Vorstellung nervt mich schon jetzt. Denn die lieblich klingende KI weiß offenbar nicht, dass gerade eine fröhliche und durstige Meute guter Freunde auf der Terrasse sitzen. So schlau ist sie dann doch nicht!
Neulich empfahl mein Dental-Hygieniker die Umstellung von der Hand- auf eine elektrische Schallzahnbürste. Gut, dachte ich, das ergibt Sinn. Ich möchte ja meine Beißerchen erhalten. Als ich das weltweite Netz nach einem entsprechenden Artikel befragte, war ich sofort überfordert. Wie haben ich und meine Zähne, solange und wohl recht gut, ohne Hightech überhaupt überleben können? Die Software gesteuerten Zahnbürsten zeigen an, wenn man zu stark drückt. Und auch, wenn man einen Quadranten des Gebisses nicht ausdauernd genug behandelt. Oder gar ganz vernachlässigt. Das alles aber nur, wenn das Smartphone neben dem Badezimmerspiegel liegt. Hatte ich bisher nie. Das liegt meist irgendwo herum. Aber eigentlich nie im Badezimmer. Ob meine knapp 4-jährige Enkeltochter wohl auf die Ansagen der KI reagieren würde? Noch putzt sie mit der Handbürste, solange, wie der Zahnputzsong dauert.
Neben pädagogisch „wertvollen“ Ratschlägen haben viele unserer neuen Alltagsgegenstände noch eine weitere Verhaltensauffälligkeit: Hysterie! Also mein Induktionsherd ist so eine Mimose. Kochen geht wunderbar, aber wehe, es kocht auch nur eine Winzigkeit über. Schon bei wenigen Spritzern auf der Platte blinkt und piept es hektisch „Error, Error!“, und dann schaltet sich das Gerät sicherheitshalber ab. Erst wenn die Koch-Diva, ergo Induktions-platte, wieder trocken ist und ihre Oberfläche strahlt, lässt sie sich laut piepsend anschalten. Bis zum nächsten Tropfen.
Wer hat sich das eigentlich ausgedacht? Bestimmt jemand, der nie kocht. Oder Angst vor heißem Wasser hat. Und lautes Piepsen gepaart mit hektischen Flackern kleiner LED-Anzeigen mag. Jemand, oder vielleicht ein Etwas?, dem Sicherheit ein sehr, sehr hohes Gut ist.
Aber: Geht es nicht auch etwas Lebens-naher? Geräte, die robuster sind, die weniger schnell belehrend reagieren und auch mal „Fünfe gerade sein lassen“ können? Wohl ein frommer Wunsch. Denn die Algorithmen kennen keine Unschärfe, keine wirkliche Empfindung, kein Abschätzen. Das können nur wir: Mal besser, mal weniger gut!
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