Lass los
- Christine Ubeda Cruz
- vor 23 Stunden
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 35 Minuten

Kürzlich beim Chinesen. Nach dem Essen folgt – immer und unweigerlich – die Rechnung und ein Glückskeks. Eigentlich eine schöne Tradition. Also die mit dem Glückskeks. Schnell ist das süße Teil ausgepackt und die Krümel über das Tischtuch verteilt. Erwartungsvoll schaut mich mein Gegenüber an. Will wissen, welche Weisheit Konfuzius für mich bereithält. Die Stirn runzelnd lese ich vor: "Lass los!"
Puh, das ist ’ne Challenge für mich. Und zwar eine permanente. Ich bin im Sternzeichen Jungfrau geboren. Und die können nicht loslassen. Angeblich zeichnet sie eine besondere Akribie und der Drang nach Perfektion aus. Dazu kommen Eigenschaften wie Präzision, analytisches Denken und der Wunsch, Ordnung und Struktur in ihr Leben zu bringen. Bingo – that's me! Ich könnte mich nicht besser beschreiben. Alles gut, aber so ziemlich genau das Gegenteil von Loslassen.
Zum Glück wird der Mensch älter. Und manchmal auch weißer. Also ich zumindest auf dem Kopf. Und vielleicht auch ein klein wenig im Kopf. Denn mittlerweile fühle ich, wann es sich lohnt, einfach mal die Kontrolle abzugeben und loszulassen.
Und so weiß ich mittlerweile, dass es Dinge im Leben gibt, die ich trotz aller Akribie, analytischem Denken und der Suche nach Perfektion nicht kontrollieren kann. Du willst wissen, was ich meine? Voilà:
Das Wetter
macht immer noch, was es will. Vollkommen unbeeindruckt von meinen Plänen. Hier hilft manchmal mein analytisches Denken. Klar habe ich sowohl die Sonnencreme als auch den Regenschirm in meiner ziemlich großen Handtasche. Ich lieb’s ja ordentlich: weder mit Sonnenbrand noch nass wie ein begossener Pudel. Doch was mache ich bei Glatteis?
Das Leben
hier könnte ich eigentlich mit Copy&Paste den ersten Satz vom Wetter übertragen. Mal ganz ehrlich: Das Leben macht doch auch, was es will. Mal geht es bergauf, mal bergab, mal gibt es Rückschritte, mal rast es auf der Überholspur: Im Leben gibt es keinen Stillstand, sondern permanente Veränderungen. Hier Ordnung und Struktur hineinbringen zu wollen? Hopeless! Es ist einfach sinnlos zu hoffen, das alles so bleibt wie es ist oder eintritt wie geplant.
Die Zeit
Ein knappes halbes Jahr lebe ich in zwei Zeitzonen. Denn in meinem klitzekleinen Auto läuft konsequent die Sommerzeit weiter, während im Leben längst die Winterzeit tickt. Und trotzdem kann ich weder Vergangenes noch zukünftiges ändern. Für beide Zeitzonen gilt: Ich lebe im Hier und Jetzt. Und vertraue darauf, dass die jeweilige Gegenwart gut ist.
Was andere über mich denken
Denke nie gedacht zu haben, denn das Denken der Gedanken ist gedankenloses Denken …
Wenn du denkst, du denkst, denkst du nur, du hast gedacht – denken tust du nie!
Die Sache ist doch die: Genauso wenig, wie wir uns in unsere eigenen Gedanken schauen lassen, können wir in den Kopf eines anderen Menschen steigen. Egal, was wir sagen, tun oder lassen: Unser Gegenüber wird darüber denken, wonach ihm der Sinn steht.
Vielleicht denkst du jetzt: Pah, diese Beispiele sind doch lächerlich. Ist doch klar, dass ich das Wetter nicht beeinflussen kann. Da bleibt mir ja gar nichts anderes übrig, als loszulassen. Ja, du weißt das. Frag da aber mal ’ne Jungfrau, die Events plant. Die versucht wirklich alles, dass das Wetter zur großen Outdoor-Party super ist. Was – das ist ihr großes Geheimnis :-).
Mein Fazit:
Nun habe ich eine Ahnung, warum Konfuzius diesen schlauen Satz uns hinterlassen hat. Lass los – kann ganz schön schwer sein! Vor allem, wenn wir Dinge und Situationen festhalten, die uns nichts bringen. Die Ballast sind. Wir einer Illusion nachhängen. Uns nicht verabschieden, trennen können.
Doch das Loslassen lohnt sich. Denn: Wir haben den Kopf und die Hände frei! Endlich.
Die Krümel auf dem Tischtuch muss wohl die arme Servicekraft im chinesischen Restaurant wegputzen. Denn ich übe jetzt mal und lass los.
Dieser Beitrag ist im Rahmen der Blognacht bei der wunderbaren Anna Koschinski entstanden. Sie gab den entscheidenden Impuls: Lass los! Danke dafür, liebe Anna!
Ich will dich nicht desillusionieren, aber Konfuzius und Glückskekse, das ist so ne Sache....
Manchmal ist es so, dass jemand nach Hause kommt, dich mit Blicken fixiert und dann sowas sagt wie "Ich brauche bis in drei Tagen 500 Glückskeks-Sprüche... auf deutsch und englisch" und dann stehst du da mit deinem Talent.
Montag ist dein Glückstag.
Dienstag ist dein Glückstag.
Mittwoch ist dein, ja weisste selbst, nä
Donnerstag ist auch ein Tag
Freitag ist, ach lass mich in Ruhe
Samstag
Sonntag
Aus dem Nähkästchen geplaudert grüßt
Marie