Du kennst das sicher auch. Du hast einen großen Traum. Und wenn der sich erfüllt, wird alles gut. Oder zumindest besser. Du tust alles, um Dir diesen Traum zu erfüllen. Doch kurz vor dem Ziel melden sich, zuerst ganz leise, Zweifel. Du kommst ins Straucheln. Zauderst. Überlegst, den Traum aufzugeben. Und das ist gut so. Ehrlich.
Mein Traum - saftig grün ist er. Ruhig. Die Luft ist mild. Sanfter warmer Wind streichelt über unendlich grüne Weiten. Ab und zu erklingt der Ruf eines fernen Vogels. Oder das friedliche Muhen einer Kuh. In der Ferne albern zartbraune Kälber durchs Gras. Unter den liebevollen warmen, weichen Augen ihrer Mütter. Und ganz da hinten gluckert das kühle, reine Wasser des kleinen Baches kristallklar über rundgewaschene Steine. Wie sphärische Musik klingt das Rauschen des zarten Windes in den Bäumen.
Ich liege in der scheinbar unendlichen Wiese. Knabbere verträumt an einem saftigen Grashalm. Schaue in den klaren, blauen Himmel. Vereinzelt ziehen hauchfeine weiße Wölkchen vorbei. Ansonsten Friede. Nichts. Ruhe.
Plötzlich spüre ich etwas warmes, zartes. Etwas, was mich sanft anschubst. Ach, da ist ja Paqui, mein liebstes Kälbchen. Sie beansprucht diesen Platz hier. Täglich. Und vertreibt mich. Täglich. Gibt mir liebevoll aber unmißverständlich zu verstehen, dass ich aufstehen soll. Um weiter zu schreiben. Doch nicht, bevor ich sie zärtlich hinter den Ohren gekrault habe.
Ok, Paqui, Du hast ja recht! Nur im Gras liegen vollendet nicht meinen Text. Da gehört mehr dazu. Doch - wie soll ich hier, in dieser wundervollen Atmosphäre schreiben? Wo doch so viel zu sehen, zu hören, zu riechen und genießen ist?
Etwas unwillig richte ich mich auf. Tapse zu meinen kleinen, improvisierten Schreibtisch. Schalte den Rechner ein. Und - es passiert nix! Ah ha, das ist ein Zeichen - mal wieder kein Strom. Gerade gut für mich. Darf ich doch weiter vor mich hin schwelgen. Sehen, dass der Vulkan „a la derecha“ sich heute vor mir versteckt. Sein schneebedeckter Schlot, der wie ein Zuckerhut ausschaut, hüllt sich in Wolken. Ist „a la derecha“ sauer auf mich? Weil ich nicht schreibe? Und was meint der Vulkan „a mano izquierda“ dazu? Der sendet zarte Rauchzeichen. Federleichte weiße Wölkchen umschweben ihn. Vielleicht mein Zeichen, es leicht zu nehmen?
OK, ihr habt gewonnen. Beide Vulkane. Und der fehlende Strom. Genüsslich lümmele ich mich in meine Sitzecke. Genieße die Sonne und den Schutz, den meine kleine Cabaña mir gewährt. Drinnen, in der kleinen Küchenecke steht doch noch ein Stück Apfelkuchen…
Geplatzt wie eine Seifenblase im Sonnenschein
Dieser Text ist im Rahmen einer Session zum intuitiven Schreiben entstanden. Hier schaffe ich es immer mehr, meine Intuition, meine wirklichen Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Und ihnen auf den Grund zu gehen.
In der realen Welt, dann, wenn ich wage zu träumen, dann träume ich von diesem Ort. In meiner Vorstellung ist das der Platz, wo mir die Bestseller nur so aus den Fingern über die Tastatur auf die Festplatte fließen. Dieser wunderschöne Flecken Erde befindet sich in Chile auf einer große Farm. Dort wohnten wir einmal ein paar Tage in einer kleinen Cabaña. Eben mit Blick auf die beiden Vulkane. Ich habe diesen Ort als wahrlich magischen Platz in liebster Erinnerung. Vielleicht auch leicht glorifiziert?!
Kopfgesteuert, wie ich nun mal ‚tagträume‘, schien bisher das der einzige wahre Ort, um meine wahre Schreibe zu finden, auszuleben, zu erweitern.
Doch während der Übung in der Schreibsession wurde mir etwas bewusst. Ja, dieser Ort ist magisch. Und ich wäre gerne nochmals dort. Aber - und jetzt kommt das große "aber": Diese Magie zieht mich in ihren Bann. Diese unglaubliche Schönheit und Reinheit der Natur fesselt mich. Fordert meine ganze Aufmerksamkeit. Will, dass ich träume - Ziel- und Planlos. Da ist kein Platz mehr in mir, Geschichten, Personen, Szenen und Handlungen fürs Schreiben zu entwickeln.
Meine Erkenntnis und warum es gut ist, dass der Traum geplatzt ist: Zum Schreiben reicht mir mein Schreitisch im heimischen Arbeitszimmer total aus. Hier kenne ich alles. Hier ist es schön und gemütlich. Aber nicht magisch. Und somit kann ich mich auf mich konzentrieren. Auf meine Ideen, Gedanken und Intuitionen. Und schreiben. Und wenn ich Ablenkung, Natur brauche, habe ich den Stadtwald vor der Haustüre. Oder - im Sommer und hoffentlich bald - meine Terrasse. Aber selbst da werde ich vom schreiben immer wieder abgelenkt. Wenn wiedermal ein Grünspecht vorbei kommt. Oder die vorwitzigen Eichhörnchen über meine Füßen purzeln.
Ist doch ein gutes Gefühl zu wissen, dass das, was man braucht, da ist! Oder in einem? Darüber muss ich mal nachdenken. An meinem Schreibtisch.
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