„Du schreibst immer so witzig. Dabei so bedacht. Und so optimistisch. Bist Du auch mal mies drauf? Und was sind deine Macken?“
So lautet der Kommentar auf ein Blogpost vor einiger Zeit. Der gibt mir direkt eine Steilvorlage für einen neuen. Danke! Also diesmal: Macken! Mies drauf kommt (vielleicht) auch mal. Irgendwann.
Ich mach’ es mir in meiner Gartenecke gemütlich. Die Sonne scheint. Vögel zwitschern. Es grünt so grün… Und ich denke nach. Grübel. Hab ich Macken? Eigenarten, Marotten? Wann und wo bin ich absonderlich? Oder schrullig? Hab ich einen Spleen oder vielleicht sogar mehrere? Bin ich verrückt? Wann äußert sich ein Tick? Und habe ich einen Fimmel? Was an mir ist mangel- und fehlerhaft? Oder gar beschädigt?
HABE ICH MACKEN? DAS SIND DOCH ALLENFALLS SPEZIAL EFFEKTS.
Bisher dachte ich: Eigentlich alles takko bei mir! Ganz normal. Nix Außergewöhnliches.
Doch jetzt, wo ich darüber nachdenke, machen sich doch leichte Zweifel breit.
Um diese sofort zu entkräften, interviewe ich meinen Lieblingsmann. Der umarmt mich zärtlich, verwuschelt meine straff zurück gekämmten Haare und meint: „Och nö mein Schatz, Du hast keine Macken.“ Ich schaue ihn misstrauisch an. Frag‘ ihn: „Und warum betonst Du K.E.I.N.E so arg?“ Er lächelt süß und zieht seines Weges. Typisch…
Also, bei ihm komme ich mit meiner Recherche nicht weiter. Aber heute Abend werde ich die Gunst der Stunde nutzen. Wir sind bei lieben Freunden zum Weintrinken. Die kennen mich schon ewig. Und auch meine Macken.
Wir sitzen in der Abendsonne. Naschen hessische und spanische Tapas. Trinken kühlen Wein. Viel zu viel. Quatschen, lachen, erinnern. Planen und philosophieren. Und irgendwann stelle ich meine Frage. Die nach meinen Macken.
Und die Antwort? Unisono rufen die beiden: Christine, Du hast doch K.E.I.N.E Macken!!! Trotz hartnäckiger Nachfrage und fortschreitendem Alkoholpegel in Blut, Kopf und auf den Lippen bleiben sie bei der Aussage, das ich allenfalls ganz liebevolle Spleens hätte. Eigenarten, die mich zu dem machen, was ich sei.
Danke ihr Lieben! Ihr und der Alkohol seit so gut zu mir…
Jetzt, wieder nüchtern, sinniere ich nochmals über der Frage nach. Hoffe, das wächst sich nicht zu einem Tick aus. Diese Suche nach Absonderlichkeiten, Spleens oder Fehlern. Führt ja zu eigentlich nix…
Anyhow, ein paar fallen mir dann doch ein. Schau‘ mal, wie absonderlich Du sie findest.
PERFEKTIONISMUS
Das ist, oder besser war, meine aller-allergrößte Macke! Oh ja, bis zum Wahnsinn. Ich konnte nicht ruhen, bevor die Bude nicht auf Hochglanz gewienert war. Nicht das Büro verlassen, bevor die letzte klitzekleine und auch die für übermorgen anstehende Aufgabe erledigt war. Jede Tätigkeit musste perfekt, korrekt und richtig ausgeführt sein. Sauber, gerade, strukturiert. Da gab es für mich kein Erbarmen. Fehler sind vermeidbar - wenn ich mich nur genug anstrenge. Und wenn dann doch ein Missgeschick passierte, etwas nicht so lief wie geplant, ging meine Welt unter. Schämte ich mich. Nahm ich alle Schuld auf mich. Und strengte mich noch mehr an.
Wo dieser Teufelskreis mich hinführte: Geradewegs in die Depression!
Mittlerweile habe ich gelernt, die sprichwörtlichen „Fünfe auch mal gerade sein zu lassen“, entspannter zu sein. Abgeben zu können. Vertrauen zu gewähren. Auch andere machen zu lassen. Und kann damit sehr, sehr gut leben! Jetzt kann ich elegant die Wollmäuse im Schlafzimmer laufen lassen. Ich entspanne im Bett und mach‘ einfach das Licht nicht an. Nach dem Motto: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß!
ORDNUNG
Das ist auch so ein Thema. Hängt wohl mit dem oben genannten Perfektionismus zusammen. Da habe ich, lt. meinen Lieblingsmann, manchmal schon komische Ansichten. Ich hänge gewaschene Socken immer gleich als Paar auf. Das muss so sein. Und Socken gehören auf keinen Fall in die Küche. Basta. Er hat’s akzeptiert.
Ordnung auf‘m Schreibtisch ist für mich ein Muss. Ich brauche Klarheit, Struktur und Platz. Einen Schreibblock, Stift, Maus, Tastatur und Monitor - that‘s it! Gerne noch ein frisches Blümchen - ja, das ist so ein Spleen. Ich brauche jede Woche einen kleinen Blumenstrauß. Den gönne ich mir. Frisch vom Wochenmarkt. Weil ich es mir wert bin. Ich die bunten Farben liebe. Dieser Spleen ist eher harmlos…oder?
Meine Blusen und Shirts im Kleiderschrank sind nach Farben sortiert. Sieht besser aus und verhindert Fehlgriffe im Dunkeln. Ganz schön absonderlich - oder?
SCHUHE
Ich habe definitiv einen Schuhtick. Gut - den haben viele Frauen. Ich kann ihn aber begründen. Mein linker Fuß ist recht lädiert und führt oft ein von meinem sonstigen Körper unabhängiges Leben. Mal ist er dick, dann wieder dünn, mal total steif oder ganz normal. Oft auch schmerzhaft. Und das an unterschiedlichen Stellen. Und so kommt es, dass ich für jede Eventualität den geeigneten Schuh benötige. Ja, wirklich brauche! Mit dicker Sohle, schmal oder weit, flach oder leicht erhöht, weich gepolstert oder knochenhart. Und natürlich in unterschiedlichen optischen Ausprägungen. Verschiedene Materialen und Farben. Die müssen ja zu den geordneten Shirts und Blusen passen.
Der lädierte Fuß ist ein Makel. Ein Mangel. Kaputt und fehlerhaft. Vernarbt. Nicht wirklich schön…
Aber dafür gibt es halt viele hübsche Schuhe 👡👟👠
ESSEN
Ich esse KEINE Schokolade! Glaubst Du nicht? Is‘ aber so. Eine Tafel Traube-Nuss, Pralinen, Schoko-Hasen und Weihnachtsmänner könnten bei mir mehrfach über Jahre hinweg ihren Aggregatzustand verändern. Würde mich überhaupt nicht tangieren. Passiert aber nicht. Gibt ja zum Glück einen Schoko-Liebhaber im Haus.
Dafür liebe ich aber Kekse mit Schokolade. Und die so kurz, bis die Packung leer ist. Und das geht schnell!
Überhaupt Essen! Ja, da hab ich definitiv ’ne Macke. Ich liebe gutes Essen. Ich meine, so richtig gutes. Ordentliche Produkte, fantasievoll zubereitet, hübsch dargeboten. Frisch und gesund. Gerne selbst gemacht. Da hab ich ‚nen Spleen. Irgendwelche industriell, zu Hähnchenschenkel geformte Fleischmassen, kommen bei mir nicht auf den Teller. Ach so ja, Fleisch eh nur noch in ganz seltenen Fällen. Ich koche seit Jahren vegan-vegetarisch, also flexitarisch. Und hadere noch immer mit der Idee, die Kochbücher eines ehemals berühmten Vegankoches endlich zu Asche zu atomisieren. Die Rezepte sind ja gut, aber… Muss mal meine Freundin fragen, ob der Thermomix sie zu was Sinnvollem verarbeiten kann.
HIPPOS
Ich liebe Nilpferde. Schon seit Kindesbeinen. Zu denen musste ich immer zuerst flitzen, wenn ich mit meinen Eltern und Geschwistern im Zoo war. Herrlich - diese dicken, schweren, knubbeligen Wesen. Die so behäbig wirken, wenn sie im Wasser stehen. Ihr massiger Körper nur zu erahnen ist. Und ihre Augen über der Wasseroberfläche suchend Wache halten. Ihr fröhliches Prusten. Und diese überraschende Geschwindigkeit und Wendigkeit, wenn sie wohin wollen.
Mein Papa hat mir mal eins gebaut. Es hat einen unglaublich schweren Holzkopf (So wie ich. War damals wohl schon erkennbar...) Liebevoll geschnitzt und bemalt. Der Hippo ist ein wenig vermenschlicht. Er bekam Hände und Füße bzw. Schuhe aus Holz. Dazwischen ein dicker, weich gefütterter Stoffkörper. Die passende Hose und Jacke hat meine Mutter gestrickt.
Ich habe ihn immer noch. Seit gut 45 Jahren. Jetzt muss er mal zum Hippo-Doktor - seine Öhrchen sind verletzt. Bei irgend einem Umzug abgebrochen. Muss endlich mal ‚nen Termin für ihn ausmachen. So sieht er ja ganz traurig aus… es geht ihm wohl nicht so gut!
Ich bin jedes Mal verzückt, wenn ich Fotos oder Filmbeiträge von diesen Dickhäutern sehe. Zu meinem Glück werde ich damit von einer lieben Bekannten, die unglaubliche Fotoreisen macht, immer wieder mit neuen Eindrücken versorgt. Irgendwann schaue ich mir die Hippos mal in der Natur an.
LAUTSTÄRKE
Ich hör’ Musik nur wenn sie laut ist… aber nur die, die ich mag! Und nur dann, wann ich es mag.
Lautsprecher MÜSSEN ein gewisse Qualität wiedergeben. Der Maßstab für diese Klasse: Meine Ohren, mein Gehör! Knistern, Rauschen, hohes Fiepen oder gar blechern klingende Quietsch-Boxen stören mein Inneres. Oder mein Innenohr. So dass ich Stresspusteln bekomme. Hektisch werde. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich von den Lautsprechern förmlich angeschrien werde. Nervend. Aggressiv. Weil sie viel zu laut und zu schlecht sind. Und ich gar nichts verstehe. Weil ich mir dann die Ohren zuhalte. Oder ausschalte.
ZUCKEN
Das ist ein Tick, von dem ich selbst gar nichts wusste. Ehrlich! Aber mein Herzensmann kann ein Lied davon singen. Und kam dann doch noch mit diesem Thema um die Ecke. Als mein Artikel schon fast fertig war. Er sagt, dass meine Hände nie Ruhe geben. Auch wenn ich grad‘ nichts arbeite, nicht schreibe, koche, stricke oder sonst irgendwie meine Flossen beschäftige, dann, ja dann zucken sie. Und zwar ständig. Angeblich, so sagt er, Tag und Nacht. Tagsüber seien meine Finger permanent in Bewegung. Spielen mit irgendetwas. Drehen am Ring. Befingern den Stoff meiner Kleidung. Oder ihn. Ok, das mag er ganz gerne. Aber auch nachts geben meine Patschehändchen wohl keine Ruhe. Wenn ich ihn umarme. Nah bei im liege. Dann zucken sie. Und rauben ihm den Schlaf. Sagt er. Und dreht sich weg… oder meine Hände.
Genug von meinen Macken. Kommen wir zu Eigenarten, die mich bei anderen schier wahnsinnig machen. So zum Beispiel:
JEMAND SCHAUFELT SEIN ESSEN IN SICH REIN
Ellbogen auf‘m Tisch, Mund auf Armhöhe, Löffel in der Hand und rein in die Fress-Luke, so viel und so schnell es geht. Wo bleibt da der Genuss? Die Wertschätzung für das Essen? Und die zaghafte Erinnerung an eine ehemalige Erziehung? Steigerung und für mich noch viel, viel schlimmer: Kauen mit offenem Mund und schmatzen! Da könnt‘ ich wahnsinnig werden. Oder mir wird‘s schlecht. Dummerweise kann ich den Blick nicht von abwenden. Obwohl ich mich ekel.
Dagegen hilft nur laute Musik. Aber „nur“ meine und genau in meinem Pegel! Und schnell irgend etwas aufräumen. Oder neue Schuhe :-)
Bei deinem Artikel musste ich schmunzeln. Und im Punkt Ordnung können wir uns die Hand reichen. Ich sortiere meine Kleidung nach Farben und hänge die Socken paarweise auf. Alles andere sortiere ich alphabetisch: Bücher, Gewürze und so weiter. Ansonsten aber packe ich meine Ellenbogen auf den Tisch und schaufle mein Essen in mich hinein. Keine Ahnung, aus was es besteht, Hauptsache Schokolade ;-)
Macken sind ein erster und wichtiger Schritt zur weltweiten Toleranz und zum Weltfrieden.
LG
Sabiene von www.sabienes-welt.de